Frau Professor Neher, das XLAB ist eines der größten Schülerlabore Deutschlands, ein Markenzeichen der Universität und der Stadt Göttingen und ein Magnet für Studieninteressierte mit internationaler Reputation. Wie kam es vor 25 Jahren zur Gründung?
Vor 25 Jahren fehlten Studienanfänger*innen und anders als heute wurden die naturwissenschaftlichen Leistungskurse nur verhalten angewählt. Als leidenschaftliche Biochemikerin und Mutter war ich davon überzeugt, dass attraktive Hands-on-Angebote Jugendliche für die Naturwissenschaften gewinnen können. Wir wollten den Jugendlichen zeigen, wie die Naturwissenschaften funktionieren und mithilfe von Experimenten neue Erkenntnisse hervorbringen. Für diese Idee konnte ich zuerst die Landesregierung, dann die Universität interessieren. 1998 forderte mich Wissenschaftminister Thomas Oppermann zum Konzeptschreiben auf. 1999 begannen wir mit der Unterstützung von Universitätspräsident Horst Kern mit Pilotkursen in Praktikumsräumen des II. Physikalischen Instituts. Im Institut für Anorganische Chemie bekamen wir Labore und einen Informatikraum, später in den Geowissenschaften ein Labor für die Biologie und Büros. Ab 2000 wies uns Kultusministerin Renate Jürgens-Pieper vier Lehrer*innen im niedersächsischen Schuldienst zu. 2000 versprach Thomas Oppermann ein eigenes Gebäude, das ab 2003 mit der Universität als Bauherrin errichtet wurde. Von Anfang an wollten wir kontinuierlich und auf einem sehr hohen Niveau arbeiten. Der entscheidende Faktor dafür waren die hochqualifizierten und motivierten Mitarbeiter*innen mit ihrer Begeisterung und ihrer Fähigkeit, Wissen weiterzugeben. Ein großes Anliegen war und ist die Durchführung von Internationalen Science Camps: Junge Menschen, die am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere stehen, kommen aus der ganzen Welt zu einem 3-wöchigen Science Camp zusammen, experimentieren in den Laboren des XLABs und tauschen persönliche Erfahrungen aus.
Was bedeutete für das XLAB der Neubau des Laborgebäudes aus dem Nordcampus?
Um wahrgenommen und groß zu werden, brauchte das XLAB ein eigenes Gebäude, ein eigenes Gesicht. Bei der Architektur haben wir Wert auf größtmögliche Vielfalt der Ausstattung gelegt: Das “Stehlabor” beispielsweise ist bestens geeignet für die Molekularbiologie, während das Biologie-"Sitzlabor" Platz zum Mikroskopieren oder Präparieren bietet; für die Fluoreszenzmikroskopie oder die Laserphysik braucht man eine leistungsstarke Verdunkelung und in der Chemie genügend Abzüge für das parallele Arbeiten in Zweier- und Dreiergruppen. Die Lage des Gebäudes ist ideal: In alle Himmelsrichtungen schauen wir auf die Institute unsere universitären und außeruniversitären Nachbarn und Kooperationspartner, die den Kursteilnehmer*innen beispielsweise Einblick in die Nutzung von Forschungsgeräten geben. Die Einweihung des Laborgebäudes im Dezember 2004 vor großem Publikum war eine, wenn nicht die Sternstunde in der Geschichte des XLABs.
Welcher Ausblick ist Ihnen der liebste?
Der Ausblick von meinem derzeitigen Büro im Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung auf das XLAB!
Was waren weitere Erfolgsfaktoren? Was konnte Ihnen niemand nachmachen?
Wenn ich das wüsste! Vielleicht war das tatsächlich meine Reisetätigkeit, meine weltweite Präsenz. In Deutschland haben wir natürlich mit diversen Netzwerken wie MNU, LELA und MINT-EC zusammengearbeitet. Andere Einrichtungen, die das gleiche wollten wie wir und in Serbien, Israel, Italien, Ungarn, Spanien usw. zu Hause waren, haben sich im “Network of Youth Excellence (NYEX)” zusammengeschlossen und gegenseitig unterstützt. Das war eine tolle Erfahrung. Ich habe nirgends eine Gelegenheit ausgelassen, Werbung für den Studienstandort Göttingen zu machen.
Was tun Sie heute mit der XLAB Stiftung für das XLAB?
Ich habe die Vorgängerstiftung der heutigen XLAB Stiftung 1996 gegründet. Für den Betrieb des Experimentallabors stellte sich aber bald heraus, dass als Trägerstruktur ein Verein besser geeignet war. Aber die XLAB Stiftung hat ihre Aufgabe gefunden: Von Anfang an war das XLAB nicht nur für Göttingen, sondern ein großes, teils ländliches Einzugsgebiet da. Wir haben uns über jede*n gefreut und jede*n willkommen geheißen. Allerdings gab und gibt es für die auswärtigen Gäste oft keine in der Nähe gelegenen und preiswerten Unterkünfte, weshalb wir zeitweise einen eigenen kleinen Beherbergungsbetrieb in Räumen des benachbarten Gästehauses der Universität unterhalten haben. Als das nicht mehr möglich war, reifte die Idee eines Begegnungszentrums mit Wohntrakt. Es wird gerade im Ortsteil Weende in fußläufiger Entfernung zum Laborgebäude errichtet. Die XLAB Stiftung ist die Bauherrin. Eine besonders herausragende Aktivität der Stiftung ist die Veranstaltung des jährlichen Science Festivals, zu dem wir viele erfolgreiche Wissenschaftler*innen einladen, die Vorträge für Schüler*innen und Studierende halten.